Zur Geschichte der Ölmühle Roßlau
Die Ölmühle Roßlau ist ein bedeutendes historisches Bauwerk, das über Jahrhunderte hinweg die Entwicklung der Stadt Roßlau (heute ein Teil von Dessau-Roßlau) mitgeprägt hat. Ihre Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück und spiegelt nicht nur die regionale wirtschaftliche und industrielle Entwicklung wider, sondern auch die gesellschaftlichen Umbrüche, die das Schicksal der Stadt prägten. Heute ist die Ölmühle nicht nur ein Zeugnis vergangener Zeiten, sondern auch ein lebendiger Ort für Kunst, Kultur und soziales Engagement.
Kurzer Überblick zur Funktion einer Ölmühle
Eine Ölmühle dient der Gewinnung von Pflanzenöl aus ölhaltigen Samen oder Früchten wie Leinsamen, Raps, Sonnenblumen oder Oliven. Traditionell wurden die Samen zunächst zerkleinert oder zerquetscht, häufig mit schweren Mühlsteinen, die von Wasserkraft oder Tierkraft angetrieben wurden. Anschließend wurde das Öl durch Pressen oder Erwärmen aus den Samen extrahiert. Das gewonnene Öl fand in der Küche, als Brennstoff für Lampen oder in der Herstellung von Seifen und Farben Verwendung. Moderne Ölmühlen nutzen fortschrittlichere Verfahren, aber das Grundprinzip der Ölgewinnung ist seit Jahrhunderten unverändert.
Die Chronik der Ölmühle Roßlau: Eine Reise durch die Zeit
1415: Erstmals werden Wassermühlen an der Rossel erwähnt, die den Grundstein für die spätere Entwicklung der Ölmühle legten.
16. Jahrhundert: Die Ölmühle wird als “kleine Mühle” in den Akten vermerkt, was auf ihre frühzeitige Bedeutung für die regionale Ölproduktion hinweist.
1626: Ein großer Stadtbrand, ausgelöst durch die Kämpfe an der Elbbrücke, verwüstet Teile der Stadt. Die Ölmühle, damals im Besitz der Familie von Metsch, entgeht dem Feuer jedoch unbeschadet.
17. Jahrhundert: Die Mühle gehört dem Amt Roßlau und wird als vielseitiger Produktionsbetrieb genutzt. Sie fungiert als Tuch-, Walk- und Ölmühle, was auf ihre wirtschaftliche Bedeutung hinweist.
1847: Der Mühleninspektor Bernhard Liebe errichtet das heutige Gebäude, das bis heute das Stadtbild prägt.
1859: Moses Lipmann kauft den gesamten Besitz der Familie Liebe, einschließlich der Ölmühle. Seine Söhne gründen ein Sägewerk und erweitern das Geschäft um einen Holzhandel, der später von seinen Enkeln Richard und Dr. Paul Bruck fortgeführt wird.
1920er Jahre: Die Ölmühle wird stillgelegt und dient fortan als Wohnraum für die Angestellten der Familie.
1938: Nach den tragischen Ereignissen der Kristallnacht am 9. November 1938 wird die jüdische Familie durch die Nazis enteignet.
1945: In den Nachkriegsjahren wird die Mühle weiterhin als Wohnraum genutzt.
1980er Jahre: Das Gebäude verfällt zunehmend und sollte ursprünglich einem Erweiterungsbau des Elbewerkes weichen.
1987: Die Ölmühle wird unter Denkmalschutz gestellt, was ihre Bedeutung als historisches Gebäude für die Stadt und die Region unterstreicht.
Die Wiederbelebung und Nutzung der Ölmühle im 20. und 21. Jahrhundert
1991: Das Grundstück wird der Stadt Roßlau zugeordnet und in das Denkmalsicherungsprogramm des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen. Rückübertragungsansprüche der Alteigentümer werden angemeldet, doch der Stadtrat beschließt aufgrund der historischen und kulturellen Bedeutung, die Mühle zu sanieren und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen.
1992: Die Stadt erhält einen Investitionsvorrangbescheid und entschädigt die Erben der Familie Bruck. Damit wird die Stadt Roßlau offizielle Eigentümerin der Ölmühle.
1995: Nach umfassenden Sanierungsarbeiten erlebt die Ölmühle eine Wiedergeburt. Im Erdgeschoss zieht eine Gastronomie ein, während das erste Obergeschoss der Kreishandwerkerschaft und das zweite der „Villa Musik und Kunst“ zur Verfügung gestellt werden.
2000: Das Erdgeschoss wird fortan von der Fraueninitiative „Frauen für Frauen“ genutzt, die sich für soziale und berufliche Unterstützung von Frauen einsetzt.
2004: Der Verein Ölmühle e.V. wird gegründet. Dieser übernimmt das 2. und 3. Obergeschoss, das als soziokulturelles Zentrum für alle Generationen, besonders für Kinder und Jugendliche, dient.
2008: Die Ölmühle wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Mehrgenerationenhaus (MGH) anerkannt, was ihren Status als zentralen sozialen Treffpunkt festigt.
2012: Nach der Fusion der Städte Dessau und Roßlau wird der Ölmühle der Status als MGH entzogen, da nur noch ein Haus je Stadt gefördert wird. Die damit verbundene staatliche Unterstützung fällt weg.
2022 – 2023: Eine umfassende Brandschutzsanierung findet statt. Während dieser Zeit dient das AWO-Gebäude als vorübergehende Bleibe für das soziokulturelle Zentrum der Ölmühle.
Fazit
Die Geschichte der Ölmühle Roßlau ist ein Zeugnis des ständigen Wandels und der Anpassungsfähigkeit eines historischen Bauwerks. Vom Produktionsbetrieb über die Zeit als Wohnraum bis hin zur heutigen Rolle als kulturelles Zentrum für die Gemeinschaft hat die Ölmühle eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Sie ist heute nicht nur ein wichtiges Denkmal, sondern auch ein lebendiger Ort für Begegnungen und kulturellen Austausch.